Die Möglichkeiten, das eigene Kapital gewinnbringend anzulegen, sind vielfältig. Doch gerade diese Vielfalt an Möglichkeiten sorgt dafür, dass viele Anleger sehr lange brauchen, um ihre persönliche Strategie zu finden.
Gerade wenn Kunden neu zu mir in die Academy kommen, fällt mir häufig auf, dass sie ihre eigene Persönlichkeit und Lebenssituation vollständig ignorieren und immer gerade das handeln, was sie gerade bei anderen Händlern sehen oder hören.
Es fängt schon damit an, dass Händler oft erst während sie sich in einer Handelsposition befinden, entscheiden, wie sie damit umgehen wollen. Soll es ein Trade oder ein Investment werden? Stocke ich die Position bei Unter- bzw. Überschreitung bestimmter Kursmarken nochmal auf oder reduziere ich mein Risiko? Halte ich die Position über die Veröffentlichung der Quartalszahlen hinweg oder stoße ich sie vorher ab? Halte ich an der Position fest, wenn der Gesamtmarkt fällt oder behalte ich die Position in jedem Fall?
Ganz klar hat jede Strategie ihre ganz eigenen Vor- und Nachteile. Als Händler muss ich diese kennen und mich mental auf die zu erwartenden Szenarien vorbereiten.
Im folgenden Artikel wollen wir uns deswegen grundsätzlich einmal damit auseinandersetzen, welche Chancen und Risiken der kurzfristige und langfristige Handel jeweils bieten und Anlegern dabei helfen, eine Entscheidung zu treffen, welche Strategie für sie grundsätzlich geeignet erscheint.
1. Was ist langfristiges Investieren
Langfristiges Investieren ist ein Begriff, der sehr unterschiedlich verwendet wird. Ich beanspruche in diesem Artikel nicht, dass die hier von mir gegebene Definition die einzig richtige ist. Vielmehr ist das langfristige Investieren, welches ich hier vorstelle, genau das, was ich in der Praxis so umsetze.
Langfristiges Investieren heißt für mich nicht bedingungsloses Buy and Hold. Denn es gibt Aktien, die fallen und sich nicht wieder erholen. Wenn man an solchen Aktien ewig festhält, werden sie irgendwann zur Depotleiche.
Aus diesem Grund investiere ich “aktiv”. Das bedeutet, dass ich Positionen kaufe, um sie langfristig zu halten, allerdings bereit bin sie abgestoßen, wenn das übergeordnete Bild nicht mehr stimmig ist.
Es gibt aber ein paar ganz klassische Merkmale, welche das langfristige Investieren für mich ausmachen:
- Ich treffe Handelsentscheidungen immer in Bezug auf Wochencharts. Das bedeutet nicht, dass ich mir nicht auch mal einen Tageschart anschaue, aber da ich langfristig von der Wertentwicklung eines Unternehmens profitieren möchte, treffe ich meine Entscheidungen aufgrund der Entwicklung von langfristigen Chartbildern.
- Ich investiere nur in Unternehmen, deren Geschäftsmodell ich grundsätzlich verstehe. Sicherlich gibt es einige interessante BioTech Unternehmen, welche mit komplizierten biochemischen Verfahren technologische Fortschritte erzielen werden, die sich heute noch keiner vorstellen kann. Für ein langfristiges Investment bietet sich ein solches Unternehmen für mich aber nicht an. Vielmehr will ich verstehen, wie und warum das Unternehmen Geld verdient, um im Umkehrschluss in schwierigen Phasen beurteilen zu können, ob das grundsätzliche Geschäftsmodell noch funktioniert und das Unternehmen langfristig weitere Wachstumschancen hat oder ob das Unternehmen seinen Zenit vielleicht schon überschritten hat und sich ab jetzt auf dem absteigenden Ast befindet.
- Ich investiere nicht in Penny Stocks.
Wenn ich langfristig investiere, möchte ich in “erwachsene” Unternehmen investieren. Dies bedeutet für mich auch, dass sie eine gewisse Größe erreicht haben, was sie wiederum auch für große institutionelles Geld attraktiv macht.
2. Was ist kurzfristiges Handeln
Im Gegensatz zum langfristigen Investieren versuche ich bei meinem kurzfristigen Handel von kleineren, wahrscheinlichen Bewegungen zu profitieren, welche in der Regel ein paar Tage oder Wochen dauern. Auch hier habe ich keinen Anspruch auf die “richtige Definition” des kurzfristigen Handelns, sondern erkläre, was ich in der Praxis auch wirklich tue.
Beim kurzfristigen Handel ist es für mich weniger relevant, ob ein Unternehmen langfristig über die nächsten Jahre ein super Geschäftsmodell hat oder nicht. Vielmehr versuche ich hier das “Momentum” zu nutzen, welches eine Aktie aktuell bietet. So kann es beispielsweise sein, dass ein Unternehmen gerade in aller Munde ist und einfach jeden Tag gekauft wird. Wenn eine solche Aktie in einem Rücksetzer eine interessante Einstiegschance bietet und charttechnisch Stärke zeigt, versuche ich die Welle dieser Bewegung mitzunehmen. Ich habe hier aber absolut kein Problem damit, mich von jetzt auf gleich von dieser Position zu trennen, wenn ich auch nur das Gefühl habe, dass das Unternehmen an Attraktivität verliert.
Ein anderes Szenario wäre, ein sehr stark abgestraftes Unternehmen nach einer Phase der Stabilisierung zu kaufen, um von einer Gegenbewegung zu profitieren. Wenn eine Aktie beispielsweise Geld verdient, aber 60% fällt, weil sich die langfristigen Wachstumschancen stark eintrüben. Heißt das nicht, dass das Unternehmen nicht auch mal 40-50% in einer Gegenbewegung steigen kann.
Es ist also klar erkennbar, dass ich beim kurzfristigen Handel auf völlig andere Dinge achte, als bei meinen langfristigen Investments.
3. Welche Vor- und Nachteile bietet das langfristige Investieren
Langfristiges Investieren kommt mit einer ganzen Reihe von Vorteilen und ist sehr wahrscheinlich für die meisten Anleger die bessere Wahl (auch wenn die meisten lieber kurzfristig handeln wollen, aber dazu komme ich noch).
- Geringer Zeitaufwand
Wenn ich meine Handelsentscheidungen auf Wochenbasis treffe, (so wie oben erklärt) habe ich den Vorteil, dass ich nicht täglich auf die Aktien und mein Depot schauen muss. Stattdessen kann ich meine Handelsentscheidungen 1x pro Woche oder sogar in noch längeren Abständen treffen, je nach festgelegten Handelsplan.
Ich stelle immer wieder fest, dass viele Menschen unterschätzen, wie sehr sie in ihrem Alltag eingebunden sind. Und mal Hand aufs Herz, wir haben alle viel zu tun. Wir haben ein Unternehmen oder sind angestellt und haben häufig noch Familie.
Sich dann jeden Tag noch Zeit für die Börse zu nehmen, ist für viele schlichtweg nicht möglich. Wenn Anleger dann aber trotz engen Terminkalender versuchen, täglich Börse zu machen, führt das häufig zu Konflikten und mittelfristig zu schlechten Ergebnissen.
Trifft man deswegen gleich am Anfang die Entscheidung sich nur 1x die Woche mit dem Börsenhandel zu beschäftigen, fällt hier eine Menge zeitlicher Druck weg
- Mental entspannter
Wenn ich langfristig investiere und am Montag bricht der Markt ein, bekomme ich das unter Umständen erst mal gar nicht mit, weil ich bereits am Sonntag meine Handelsentscheidungen für die kommende Woche getroffen habe. Wenn ich dann am nächsten Sonntag wieder ins Depot schaue, hat sich unter Umständen im Laufe der Woche schon wieder alles erholt und ich habe gar nichts von mittelfristigen Unruhen mitbekommen. Es gibt viele Händler, die wahnsinnig nervös werden, wenn der Markt kurzfristig fällt. Wenn ich aber langfristig investiere, bin ich den kurzfristigen Marktschwankungen mental nicht so stark ausgesetzt.
- Verdiene an den großen Trends
Jeder von uns möchte doch bei der nächsten 400% Wachstumsaktie dabei sein, oder? Wenn du längerfristig investierst, hast du bessere Chancen, das auch zu schaffen. Denn nur wer in einer Aktie drin bleibt, kann auch die großen Bewegungen mal mitnehmen. Viele langfristige Händler denken, dass sie kurzfristiger handeln müssten, um mehr Geld zu verdienen. Das ist aber so nicht richtig. Zwar sind die möglichen Renditen bei kurzfristigen Händlern teilweise wirklich immens hoch, allerdings schafft es kaum jemand, diese wirklich konstant zu erzielen. Die Wahrheit ist, dass die meisten kurzfristigen Händler ein ziemlich schwieriges Leben haben.
Wenn du stattdessen die langfristigen Trends handelst, wirst du über einen längeren Zeitraum großartige Renditen erzielen können.
Natürlich gibt es aber beim langfristigen Investieren auch Nachteile, welche wir uns im folgenden kurz anschauen wollen.
- Je längerfristiger ich investiere, desto mehr bin ich vom Gesamtmarkt abhängig
Als langfristiger Anleger kann ich nicht so viel tun, wenn der Markt fällt. Im Optimalfall, bin ich relativ früh aus meinen Positionen ausgestiegen und muss jetzt darauf warten, bis sich die übergeordnete Lage wieder bessert. In dieser Zeit habe ich keine großen Möglichkeiten, Geld am Markt zu verdienen. Im besten Fall verliere ich in einer solchen Phase einfach kein Geld und halte mein Pulver trocken. Daran ist auch erstmal nichts auszusetzen. Für jemanden, der aber sehr regelmäßig Geld verdienen möchte, wird das in einer solchen Marktlage schwierig. Denken wir mal an das Jahr 2022 zurück, in welchem der Gesamtmarkt mehr oder weniger das ganze Jahr gefallen ist. In einer solchen Marktlage hast du es als langfristiger Investor einfach schwer Geld zu verdienen.
- Geduld ist gefragt
Langfristige Investoren brauchen manchmal einen langen Atem. Nicht selten kommt der Markt einfach nicht wirklich von der Stelle. Das Depot entwickelt sich gefühlt einfach nicht. Woche für Woche schaut der langfristige Investor ins Depot, nur um festzustellen, dass sich nichts verändert hat.
Da Märkte über längere Zeiträume hinweg auch einfach mal seitwärts laufen, muss ich als langfristiger Investor darauf eingestellt sein, auch mal einige Wochen oder Monate zu warten, bevor es den nächsten “Schub” im Depot gibt.
4. Welche Vor- und Nachteile bietet das kurzfristige Handeln
Das kurzfristige Handeln hat natürlich auch seine Vor- und Nachteile. Es sei nochmal gesagt, dass meiner Erfahrung nach viele kurzfristige Händler eine schwere Zeit haben. Dafür gibt es ein paar Händler, die den Handel richtig rocken und auch entsprechend dafür belohnt werden.
- Weniger abhängig vom Gesamtmarkt
Kurzfristige Händler sind weniger abhängig vom Gesamtmarkt (wenn sie wissen, was sie tun), denn sie können auch in schlechten Marktphasen von kurzfristigen Handelsmöglichkeiten profitieren oder kurzzeitig auch von fallenden Kursen profitieren, was langfristige Anleger in der Regel eher nicht (weniger) tun.
- Mehr Handelschancen
Als kurzfristiger Händler hast du aufs Jahr gesehen mehr Handelschanchen. Denn im Tageschart musst du weniger lange darauf warten, dass sich ein gewünschtes Setup ergibt, als im Wochenchart. Dadurch hast du öfter die Chance Geld zu verdienen und so auch ein „regelmäßiges“ Einkommen zu erwirtschaften.
Nachteile des kurzfristigen Handelns
Ich will an dieser Stelle nicht voreingenommen wirken und auch bei mir in der Academy haben wir kurzfristige Strategien, die wir erfolgreich mit unseren Kunden umsetzen. Es gibt aber meiner Meinung nach beim kurzfristigen Handel einen gravierenden Nachteil, der die Vorteile schnell aufheben kann.
Ich spreche von der mentalen Komponente. Denn wer nah am Markt ist, muss häufiger schwierige Entscheidungen treffen und ist den kurzfristigen Schwankungen am Markt ausgeliefert. Wie oben bereits beschrieben, habe ich als langfristiger Investor den Vorteil, dass ich unter Umständen ein oder zwei schlechte Börsentage überhaupt nicht wahrnehme. Als kurzfristiger Händler, der sich jeden Tag mit seinem Depot auseinandersetzt, bekommst du jede Schwankung in deinem Depot voll zu spüren. Nicht jeder Händler kann damit gleich gut umgehen, vor allem wenn das Handelskonto etwas größer ist und ein signifikanter Teil des eigenen Vermögens dort liegt.
Fazit – Besser langfristig investieren oder kurzfristig handeln?
Wie so oft, ist die Antwort nicht ganz einfach. Beide Handelsstile haben ihre Vor- und Nachteile. Und erfahrene Händler können sicher beide Handelsstile parallel nutzen, um das bestmögliche Ergebnis in allen Marktlagen zu erzielen.
Die erste Frage, die sich Anleger aus meiner Sicht zuerst stellen sollte, ist:
Habe ich die Zeit, mich täglich mit meinem Börsenhandel auseinanderzusetzen?
Falls nein, kommt der kurzfristige Handel schon nicht mehr infrage.
Anschließend sollten folgende Überlegungen angestellt werden:
Wie viel Zeit möchte ich mit meinem Börsenhandel wirklich verbringen und welche Ergebnisse möchte ich erreichen? Ist es mir wichtig, ein “regelmäßiges Einkommen” zu erwirtschaften oder will ich einfach sehen, dass mein Depot langfristig wächst?
Habe ich Lust mir ständig neue Handelsideen zu überlegen, hunderte von Charts anzuschauen und die besten Möglichkeiten herauszuarbeiten? Oder grabe ich mich lieber etwas tiefer in meine Lieblingsunternehmen ein und schaue nur dann und wann, ob es neue interessante Investmentmöglichkeiten gibt?
Wie resilient bin ich, wenn es um das Thema Verluste geht? Halte ich es aus, jeden Tag ins Depot zu schauen und nicht gleich alle meine Ideen über den Haufen zu werfen, wenn es mal nicht so läuft? Kann ich Verlustphasen aushalten und unterscheiden, wann ich mit meinen kurzfristigen Ideen besser die Füße still halte, weil es sich einfach nicht lohnt aktuell zu handeln?
Beantworte dir diese Fragen einmal selbst, stell dich vor einen Spiegel und sei ganz ehrlich zu dir. Arbeitest du mit der für dich optimalen Strategie oder rennst du einer Illusion hinterher, die dich eigentlich mehr vom Börsenerfolg abhält, als dass sie dir hilft?
Egal, ob langfristiger Investor oder kurzfristiger Händler. In der Jens Rabe Academy haben wir 7 Coaches, welche unterschiedliche Schwerpunkte in ihrem eigenen Handel haben und dich bei deinen individuellen Problemen maßgeschneidert unterstützen können. Egal, ob Aktien, Optionen, Rohstoffe oder Anleihen. Wir sind der richtige Ansprechpartner für deinen Börsenerfolg.