Die Jahreszeiten der Wall Street: Saisonale Trends am Aktienmarkt

Inhaltsverzeichnis:

Wie die Natur ihren eigenen Rhythmus hat, so folgen auch die Finanzmärkte bestimmten saisonalen Mustern. Stell dir vor, du spazierst durch einen Wald, der die Wall Street repräsentiert. Im Frühling sprießen neue Ideen und Investitionen, der Sommer bringt eine gewisse Trägheit, der Herbst lässt manche Aktien fallen wie welke Blätter und im Winter können die Kurse, wie bei einer rasanten Schlittenfahrt, nochmal richtig Fahrt aufnehmen. Diese natürlichen, saisonalen Muster an den Aktienmärkten sind kein Mythos und können dir als wichtiges Werkzeug zur Renditeoptimierung dienen.

Saisonalität verstehen: Ursprung und Bedeutung

Saisonalität beschreibt wiederkehrende Muster in der Entwicklung von Aktienkursen, die sich jährlich zu bestimmten Zeiten zeigen. Diese Muster entstehen durch eine Vielzahl von Faktoren, darunter wirtschaftliche Zyklen, Verbraucherverhalten, steuerliche Überlegungen und sogar psychologische Aspekte der Anleger.

Die Beobachtung saisonaler Trends an den Finanzmärkten reicht weit zurück. Schon im 19. Jahrhundert erkannten Händler Muster in den Preisbewegungen von Agrarrohstoffen, die mit den Jahreszeiten korrelierten. Mit der Zeit wurde deutlich, dass auch Aktienmärkte ähnlichen, wenn auch subtileren, saisonalen Schwankungen unterliegen.

Für dich als Investor oder Trader bietet das Verständnis dieser Muster potenzielle Vorteile:

  • Optimierung von Ein- und Ausstiegszeitpunkten
  • Verbesserung der Portfolioallokation
  • Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für überdurchschnittliche Renditen

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass saisonale Trends keine Garantie für zukünftige Entwicklungen darstellen. Sie sind vielmehr statistische Beobachtungen, welche wir aus den historischen Daten ableiten können. Sie sollten daher, wie bei so ziemlich jedem Indikator, nie als universelles Wundermittel verstanden werden, sondern immer in sinnvoller Kombination mit anderen Analysemethoden genutzt werden.

Der S&P 500 im Jahresverlauf: Bekannte saisonale Phänomene

Der S&P 500, als einer der wichtigsten Aktienindizes weltweit, zeigt deutliche saisonale Muster. Eine Analyse der historischen Daten von 1980 bis 2018 offenbart interessante Trends:

Bildquelle: Stockanalysis.com
  • Stärkste Monate: April, November, Dezember
  • Schwächste Monate: September, August, Juni
  • Allgemein sind die Monate um die Jahresmitte eher schwach

Diese Beobachtung führt uns zu einigen der bekanntesten saisonalen Phänomene am Aktienmarkt:

„Sell in May and Go Away“

Eine der bekanntesten Börsenweisheiten lautet „Sell in May and Go Away“. In voller Länge heißt es sogar: „Sell in May and go away, but remember to come back in September“. Diese Strategie basiert auf der historischen Beobachtung, dass die Aktienmärkte zwischen Mai und Oktober oft eine schwächere Performance zeigen als in den restlichen Monaten des Jahres.

Für den S&P 500 zeigt sich tatsächlich, dass die Periode von Mai bis Oktober im Durchschnitt geringere Renditen aufweist als die Wintermonate. Mögliche Gründe hierfür sind reduzierte Handelsaktivität während der Urlaubssaison, geringere Liquidität an den Märkten und der Fokus der Anleger auf andere Aktivitäten in den Sommermonaten.

Der September-Effekt

Aus der Historie wissen wir, dass große Börseneinbrüche, wie der “Schwarze Donnerstag” von 1929 oder der “Schwarze Montag” von 1989, jeweils im Oktober stattgefunden haben. Der Oktober galt dadurch lange Zeit als einer der schwächsten, wenn nicht sogar als DER schlechteste Börsenmonat. Interessanterweise ist dies mittlerweile nicht mehr der Fall und der September ist nunmehr statistisch gesehen der schwächste Börsenmonat. Historische Daten zeigen, dass der Markt in diesem Monat am ehesten dazu neigt zu fallen. Die Gründe hierfür sind vielseitig. Tatsächlich könnte sogar ein psychologischer Effekt der wahrscheinlichste sein. Aus Angst, dass die Märkte im Oktober starke Rücksetzer erfahren, kommt es bereits im September zu starken Abverkäufen. Es ist also sozusagen der Versuch eines Vorgreifens eines erwarteten Rückgangs. Es können aber auch andere Dinge, wie enttäuschende Quartalszahlen, die Neuallokation vieler Anlegerdepots nach der Sommerpause oder das Schließen von Geschäftsjahren einiger Fonds im September eine Rolle spielen.

Santa Claus Rally

Gegen Ende des Jahres beobachtest du oft eine positive Entwicklung an den Aktienmärkten, die als „Santa Claus Rally“ oder Weihnachtsrally bekannt ist. Dieses Phänomen beschreibt die Tendenz zu steigenden Kursen in den letzten beiden Dezemberwochen und den ersten Handelstagen des neuen Jahres.

Mögliche Gründe für diesen Effekt sind Optimismus für das kommende Jahr, Bonuszahlungen, die in den Markt investiert werden, und steuerbezogene Portfolioanpassungen.

US-Wahljahre und ihre Auswirkungen auf den Aktienmarkt

Wahljahre in den USA haben eine besondere Dynamik, die sich auch an den Finanzmärkten widerspiegelt. Historische Daten zeigen interessante Muster:

  1. Positive Tendenz: Seit 1928 schloss der S&P 500 in 20 von 24 Wahljahren im Plus. Die durchschnittliche Rendite in Wahljahren lag bei beachtlichen 7,5%. Dies deutet darauf hin, dass Wahljahre tendenziell gute Jahre für Aktienanleger sind.
  2. Volatilität: In Wahljahren ist oft eine erhöhte Volatilität zu beobachten, besonders in den Monaten unmittelbar vor der Wahl. Die Unsicherheit über den Wahlausgang und mögliche politische Veränderungen kann zu stärkeren Kursschwankungen führen.
  3. Sektorale Auswirkungen: Je nach favorisiertem Kandidaten und dessen Wahlprogramm können bestimmte Sektoren stärker in den Fokus rücken. Allerdings zeigt die Geschichte, dass Vorhersagen basierend auf Wahlversprechen oft irreführend sein können.
  4. Zweite Jahreshälfte: Typischerweise ist die Performance in der zweiten Jahreshälfte eines Wahljahres stärker als in der ersten. Dies könnte damit zusammenhängen, dass sich gegen Ende des Jahres mehr Klarheit über den wahrscheinlichen Wahlausgang abzeichnet.
  5. „Politischer Put“: In Wahljahren beobachten Analysten oft den sogenannten „politischen Put“. Dieser besagt, dass amtierende Regierungen dazu neigen, in Wahljahren wirtschaftsfreundliche Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Wiederwahlchancen zu erhöhen. Dies kann sich positiv auf die Märkte auswirken.
  6. Langfristige Perspektive: Trotz der kurzfristigen Aufmerksamkeit, die Wahlen generieren, zeigen Studien, dass langfristig andere Faktoren wie Wirtschaftswachstum, Unternehmensgewinne und Zinspolitik einen größeren Einfluss auf die Aktienmärkte haben als der Wahlausgang selbst.

Unabhängig davon zeigt sich sogar eine jahresübergreifende Saisonalität im 4-Jahreszyklus, welche sich durch die US-Wahlen ergeben (blaue Linie)

Bildquelle: https://blog.syzgroup.com/syz-the-moment/the-sp-500-4-year-presidential-cycle

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese historischen Muster keine Garantie für zukünftige Entwicklungen sind. Jedes Wahljahr hat seine eigenen spezifischen Umstände und Herausforderungen. Anleger sollten daher vorsichtig sein, ihre Investitionsentscheidungen allein auf Basis des Wahlzyklus zu treffen und stattdessen weiterhin auf eine diversifizierte, langfristig orientierte Anlagestrategie setzen.

Strategien zur Nutzung saisonaler Trends

Wenn du saisonale Trends in deine Investitionsstrategie einbeziehen möchtest, gibt es verschiedene Ansätze:

  1. Sektorrotation: Umschichten deines Portfolios in Sektoren, die in bestimmten Jahreszeiten typischerweise besser abschneiden.
  2. Timing-Strategien: Versuch, optimale Ein- und Ausstiegszeitpunkte basierend auf saisonalen Mustern zu identifizieren.
  3. Optionsstrategien: Für erfahrene Trader, um von erwarteten saisonalen Bewegungen zu profitieren oder sich gegen saisonale Schwankungen abzusichern.

Es ist wichtig zu betonen, dass jede dieser Strategien immer mit dem aktuell vorliegenden Gesamtmarkt Kontext abzugleichen ist und in Verbindung mit anderen Handelsindikatoren zu verwenden ist. Je mehr Indikatoren dann in eine gewisse Richtung deuten, desto höher fallen die jeweiligen Erfolgschancen aus. Natürlich ist das Ganze, wie so ziemlich alles im Leben, auch immer mit Risiken verbunden. Durch eine sorgfältige Analyse sowie ein gutes Risikomanagement können diese allerdings kalkuliert und klein gehalten werden.

Kritische Betrachtung und Grenzen der Saisonalität

Während saisonale Trends faszinierende Einblicke in Marktdynamiken bieten, ist es wichtig, ihre Grenzen und potenzielle Fallstricke zu verstehen:

  1. Übermäßiges Vertrauen in historische Muster: Die Vergangenheit ist kein Garant für zukünftige Entwicklungen.
  2. Vernachlässigung technischer und fundamentaler Faktoren: Saisonale Trends sollten nie isoliert betrachtet werden. Fundamentale Unternehmens- und Marktgegebenheiten, sowie vorherrschende Trends bleiben entscheidend.
  3. Selbsterfüllende Prophezeiung: Die breite Bekanntheit bestimmter saisonaler Muster kann dazu führen, dass sie sich selbst erfüllen.
  4. Kosten und Steuern: Häufiges Umschichten des Portfolios kann zu erhöhten Transaktionskosten und steuerlichen Konsequenzen führen.
  5. Komplexität des Marktes: Der Aktienmarkt wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, von denen viele nichts mit der Jahreszeit zu tun haben. Wirtschaftliche Bedingungen, politische Ereignisse und Unternehmensnachrichten können alle erhebliche Auswirkungen auf die Börsenkurse haben – unabhängig vom Kalendermonat.
  6. Die historischen Daten ergeben einen Durchschnitt, welcher stark von einzelnen Jahren abweichen kann. Beispielsweise sprechen wir immer von einer durchschnittlich zu erwartenden Jahresperformance des S&P500 von etwa 8%. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass es kaum Jahre gab, in denen der S&P500 diese Performance aufgewiesen hat. Meistens lagen wir deutlich darunter oder darüber:
Bildquelle: https://www.macrotrends.net/2526/sp-500-historical-annual-returns

Fazit: Saisonalität als Teil einer ganzheitlichen Strategie

Saisonale Trends am Aktienmarkt – insbesondere im S&P 500 – bieten faszinierende Einblicke in die Rhythmen und Muster der Finanzmärkte. Sie können wertvolle Anhaltspunkte für deine Investitionsentscheidungen liefern und dir helfen, Marktdynamiken besser zu verstehen.

Allerdings sollten saisonale Analysen immer als Teil einer umfassenderen Handelsstrategie betrachtet werden. Sie ergänzen technische Analysen – ersetzen diese aber nicht. Ein ausgewogener Ansatz, der saisonale Trends berücksichtigt, ohne sich ausschließlich auf sie zu verlassen, kann dir helfen, fundiertere Entscheidungen zu treffen und potenzielle Chancen zu nutzen.

Wie Warren Buffett einmal sagte: „Sei ängstlich, wenn andere gierig sind, und sei gierig, wenn andere ängstlich sind.“ Wenn der Markt niedrig ist, wenn alle in Panik sind, dann ist es deine Zeit zu glänzen. Mit der richtigen Strategie kannst du das nutzen und triumphieren.

Letztendlich bleibt der Aktienmarkt ein komplexes System – beeinflusst von unzähligen Faktoren. Saisonalität ist ein faszinierendes Puzzlestück in diesem großen Bild: ein Werkzeug, das mit Weisheit und Vorsicht genutzt werden sollte, um die Jahreszeiten der Wall Street zu navigieren. Wenn du dabei Hilfe benötigst, steht dir Jens Rabe Academy gern zur Seite.

Über den Autor:

Jens Rabe

Jens Rabe

Jens Rabe ist Gründer und Geschäftsführer der Rabe Unternehmensgruppe. Gemeinsam mit seinem Team hilft er Unternehmern, Selbstständigen und leitenden Angestellten zu einem regelmäßigen Einkommen an der Börse.
Inhaltsverzeichnis:
Über den Autor:
Jens Rabe

Jens Rabe

Jens Rabe ist Gründer und Geschäftsführer der Rabe Unternehmensgruppe. Gemeinsam mit seinem Team hilft er Unternehmern, Selbstständigen und leitenden Angestellten zu einem regelmäßigen Einkommen an der Börse.

Das könnte dich auch interessieren:

Lerne nun von Jens Rabe und seinem Team, wie du regelmäßige Einnahmen an der Börse erzielst und dein Vermögen vor Risiken absicherst.
Profitiere von der jahrelangen Erfahrung und dem soliden „Track Record“ der Rabe Academy.